Forschungsziele (deutsch)
Imperiales Erbe und nationale Identität
Die Entstehungsgeschichte der Österreichischen Nationalbibliothek
Der Zusammenbruch der Habsburgermonarchie und die Gründung der Republik Österreich stellten nicht nur für die politische Geschichte des Landes sondern auch für seine Kulturinstitutionen tiefgreifende Einschnitte dar. Die Frage, wie man mit dem imperialen Erbe eines multinationalen Reiches in einem kleinen und geschrumpften Nationalstaat umgehen solle, führte zu kontroversen Diskussionen in den zeitgenössischen Medien der Republik Österreich in der Zwischenkriegszeit.
Nach dem Zusammenbruch der Monarchie wurden zunächst die kaiserlichen Büchersammlungen gesichert. Die Hofbibliothek wurde zur Nationalbibliothek der Republik und die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen wurde ihr einverleibt. Dieser Prozess resultierte in einer Neudefinition der Mission der Bibliothek und führte zu Debatten nach der Identität und nach den Aufgaben der Bibliothek in der Republik Österreich. Die Suche nach einer neuen Identität war ein langer Prozess, der zwar in der Zwischenkriegszeit begann, aber nicht endete. Vielmehr wurde die Identitätsfindung nach 1945 fortgesetzt, als nach der Wiedererrichtung eines unabhängigen Staates Österreich die Nationalbibliothek in „Österreichische Nationalbibliothek“ umbenannt wurde. Die Bibliothek trug im Laufe des 20. Jahrhunderts mit einer Vielzahl von Publikationen, Forschungsprojekten und Ausstellungen zu ihren historischen Sammlungen und Schätzen zum Identitätsfindungsprozess der österreichischen Nation bei. Das vorliegende Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, zu analysieren, wie dieser Transformationsprozess der kaiserlichen Hofbibliothek in eine Nationalbibliothek der Republik von statten ging, wann er begann und warum er nicht in der Zwischenkriegszeit endete.
Den Ausgangspunkt bildet dabei die Übergangsperiode 1918 bis 1921, in der die Hofbibliothek zur Nationalbibliothek wurde und die Republik die kaiserlichen Sammlungen gegen die Ansprüche der Nachfolgestaaten der Monarchie zu verteidigen hatte. In einem weiteren Schritt werden die institutionelle Entwicklung der Bibliothek und ihre öffentliche Wahrnehmung in den 1920er und 1930er Jahren untersucht. Den Abschluss bildet ein historischer Überblick über die Entwicklung der Hof- und Nationalbibliothek im Hinblick auf ihre Funktion als „nationale“ Bibliotheken ihrer jeweiligen Territorien. Nach der zugrundeliegenden Forschungshypothese wurden die Grundlagen der Nationalbibliothek bereits in der Zeit der Monarchie gelegt und leistete diese Sammlung einen wesentliche Beitrag zur Formierung der österreichischen Identität, die im kollektiven Gedächtnis der Republik sowohl auf den regionalen Identitäten als auch auf dem multinationalen Erbe des habsburgischen Reiches gegründet ist.
- Imperial Heritage and National Identity. The making of the National Library of Austria [FWF-Projekt-Nr. P 32081] (Laufzeit 2019 - )
- Die habsburg-lothringische Familien-Fideikommissbibliothek 1835-1921 [FWF-Projekt-Nr. P 26943] (Laufzeit 2014-2018)
- Privatbibliothek Kaiser Franz' I. von Österreich 1784-1835 [FWF-Projekt-Nr. P 22744] (Laufzeit 2010-2014)